hmt geschlossen: Wie Musikstudierende- und Lehrende damit umgehen.

Ein Interview mit der Professorin Christiane Hutcap

Um die Hochschulangehörigen und ihre Gäste vor dem Corona-Virus zu schützen, wurde der Veranstaltungs-, Übe-, Proben- und Lehrbetrieb in der gesamten Hochschule für Musik und Theater Rostock bis einschließlich 19. April eingestellt. Was bedeutet das für die Musikstudierenden und -lehrenden? Wir haben Frau Christiane Hutcap, Professorin für Violine an der hmt, zu der Situation befragt.

Die Musikstudierenden können ihr Instrument derzeit nicht in der Hochschule üben, zuhause sind sie vielleicht eingeschränkt. Was bedeutet das für sie?

Das bedeutet im Einzelfall ganz sicher eine Minderung der Übezeit, abhängig von der jeweiligen Wohnsituation. Die motorischen Komponenten des Geigenspiels sind natürlich abhängig von der schieren Zeit, die man damit beim Üben trainiert, das ist wie beim Sport. Wir Geiger und alle Musiker mit einem transportablen Instrument sind in dieser Beziehung noch gut aufgestellt; für die Pianisten stellt sich die Situation ganz anders, nämlich wirklich fatal, dar!

Gibt es Alternativen zum Musizieren?

Die mentale Beschäftigung kann dazu beitragen, dass man in der Vorstellung eine „Idealversion“ von Bewegungen oder Phrasierungen erstellt. Das kann bewirken, dass man am Instrument bereits in bekanntes Terrain einsteigen kann, weil man eben diese genaue Vorstellung schon entwickelt hat.

Auch das sich Beschäftigen mit dem Werk an sich, mit den formalen und harmonischen Zusammenhängen, den Phrasierungen – das kann man gut mental vorbereiten. Eine Aufnahme anzuhören mit der Partitur vor Augen gehört auch dazu. Nicht um etwas später „nachzumachen“, sondern um sich einen klingenden Eindruck zu verschaffen.

Auftritte fallen aus, wie wirkt sich das auf die Übemotivation aus?

Die Absage eines Konzerts ist immer enttäuschend. Aber dann muss der Fokus eben auf den nächsten Auftritt gerichtet, das Repertoire darauf hin ausgerichtet werden.

Wie halten Sie Kontakt zu Ihren Studierenden?

Ich persönlich stehe in engem Kontakt mit meiner Klasse. Telefonisch, über WhatsApp. In manchen Fällen täglich, mindestens aber 1 bis 2mal pro Woche. Es erreichen mich Anfragen zu den Werken, zu Übethematiken, um den nächsten Skype-Termin zu verabreden.

Was lässt sich durch Unterricht per Online-Übertragung abfangen, was kann nur durch den persönlichen Kontakt gelehrt werden?

Erstaunlich vieles kann man auf diesem Wege erörtern: technische Fragen, Bewegungsabläufe, Intonation; klangliche und künstlerische Belange sind da schon schwieriger zu bedienen. Die Übertragungsrate der Leitungen ist in den meisten Fällen zwar sehr gut. Dennoch ist die Qualität der tonlichen Übertragung diesen subtilen Themen oft nicht gewachsen. Seine endgültige Grenze hat der Video-Unterricht erreicht, wenn es darum geht, etwas zusammen zu spielen. Die zeitliche Versetzung, mag sie auch minimal sein, ist dafür zu groß.

Was können wir als Gesellschaft aus der aktuellen Situation für uns lernen, was kann sie uns bewusstmachen?

Aller Überfluss hat seine Grenzen. Wir sollen nicht übermütig und hoffärtig mit den Ressourcen umgehen. Nach einer doch relativ kurzen Zeit der erzwungenen Enthaltsamkeit in Bezug auf Reisen mit dem Flugzeug, dem Auto oder Bus erholt sich die Natur erstaunlich schnell. Vielleicht sollten wir alle eine gewisse Bescheidenheit in die Zeit der Normalisierung mit hinüberretten. Alles vordergründig Schlechte, Unbequeme, ja – auch Desaströse im Einzelfall – hat doch einen kleinen Teil Gutes in sich…wie die sprichwörtliche Medaille… vorne ist sie dreckig, ist Regen und Sturm und Staub ausgesetzt. Die Rückseite derselben Medaille aber bleibt ganz blank und sauber. Man muss nur einmal hinter das vordergründige Geschehen zu schauen sich die Mühe machen!

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